Abstraktion und Malerei in your face!
In der Arbeit von Julia Benz verschwimmen die Grenzen zwischen urbaner Kunst und klassischer Malerei.
Ein Gastbeitrag von Jörg Heikhaus aka Alex Diamond.
Die klassisch ausgebildete Malerin Julia Benz hat ihre Leidenschaft für Malerei von der Leinwand auf die Häuserwände der Stadt übertragen. Nach ihrem Studium der Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf und an der Universität der Künste in Berlin, das sie als Meisterschülerin von Professor Burkhard Held abschloß, malte sie vor 10 Jahren ihre erste Wand - in der Millerntorgallery, einem Urban Art Festival von Viva con Agua im Stadion des FC ST. Pauli.
Dieser erste Schritt sei ihr schwergefallen damals, erzählt sie: „Wandmalerei - egal ob es eine große Hausfassade oder eine Fläche im Innenraum ist – hat, wie jedes Medium in der Kunst, ihre eigene Sprache, und diese muss man erst einmal beherrschen lernen.“ Der Übergang war für sie zwar malerisch gesehen nicht schwer, da die Bewegungen von Pinsel und Hand nur größer werden, aber die Herangehensweise und das Drumherum sind grundlegend unterschiedlich.
Der kreative Prozess findet nicht direkt an der Wand statt, sondern schon im Vorfeld. Julia Benz entwickelt ihr künstlerisches Konzept, bevor sie überhaupt an die Wand geht; die ersten Schritte müssen klar geplant sein, auch inhaltlich: „Ich habe diese große Vision, über die Grenzen einer Leinwand hinaus malerische Konzepte in Frage zu stellen. Malerei in Überdimension, die sich an die Umgebung und Beschaffenheit des Ortes anpasst, sollte nie aufdringlich, nie ein Fremdkörper sein, sondern ein Teil davon werden. Es ist eine große Verantwortung, dass ich einem Ort draußen ein neues “Bild” gebe. Das ist mutig. Damit zu zeigen: “Hier bin ich und das ist meine Idee” - und diese wird nun ein Teil des Alltags vieler Menschen sein. Das mit der eigenen künstlerischen Vision zu vereinbaren, sehe ich für mich als die größte Herausforderung an.“
In Bezug auf die Vorbereitung ihrer Wandarbeiten erklärt Julia Benz, dass jedes Mural eine vergrößerte Abbildung dessen ist, was zu dieser Zeit in ihrem Atelier passiert. „Oft sind meine Murals ein Auszug aus einer Leinwandarbeit, zumindest basieren sie immer darauf. Was mir nach wie vor schwer fällt, ist die endgültige Entscheidung, welches Motiv es am Ende werden soll. Meistens ist dies dann auch noch mit einer besonderen technischen Herausforderung gepaart: Das, was ein Pinselstrich auf der Leinwand ist, der in Sekunden entsteht, ist im großen Muralformat eine Arbeit von drei Tagen. Spontane, impulsive Momente umzusetzen in groß, die dann noch die gleiche dynamische Wirkung haben, ist alles andere als einfach.“
Während sie im Atelier frei arbeitet und spontane Entscheidungen treffen kann, erfordert die Wandmalerei eine gründliche Planung und Organisation, da sie oft teuer ist und die Farben, ein Lift, Gerüst oder Steiger im Voraus bestellt werden müssen. Sie passt ihr Konzept immer an die Umgebung an und betrachtet die Arbeit an der Wand auch als eine Art politischen und persönlichen Akt.
„In den ersten zwei Tagen an der Wand lerne ich diese erstmal kennen, unter Einfluss von Wetterbedingungen und Klima - je nachdem, in welchem Land ich gerade bin - und der Beschaffenheit der Oberflächen. Eine Leinwand ist immer gleich, man weiß, was man hat und jede Fassade ist anders!“
Mural "Aurora"
Für eines ihrer jüngsten Projekte hat sie im Rahmen des Lübeck Urban Art Festivals ein Haus bemalt. Sie wurde von den deutschen Graffiti-Legenden Gerrit Peters, Mirko Reisser und Heiko Zahlmann eingeladen, was sie als große Ehre empfindet. Ihre Arbeit für das Festival ist auch ein gutes Beispiel für die Behutsamkeit, mit der Julia Benz die Umgebung einbindet: „In Lübeck stehen zwei Bäume vor der Fassade, die im Laufe des Tages wunderschöne Schatten auf der Fläche bilden. Dagegen zu arbeiten war für mich sinnfrei, also beziehe ich diese mit in die Konzeption ein. Es ist am schönsten für mich, wenn die Malerei und der Ort miteinander verschmelzen.“
Auch ein Fenster in der Häuserwand hat sie in ihr Bild mit aufgenommen und es extra betont, anstatt es als Hindernis zu betrachten. „Darauf wurde ich tatsächlich mehrfach von Kolleg*innen angesprochen. Bestenfalls ist es ein Hingucker und kein Störfaktor, kann für sich allein stehen, aber sich auch in die Umgebung einfügen. Wenn dies der Fall ist, sehe ich eine Arbeit als gelungen an.“
Julia Benz betont, dass Projekte im öffentlichen Raum für sie genauso wichtig sind wie Kunstausstellungen in Galerien. Sie möchte die Grenzen zwischen urbaner Kunst und klassischer Kunst aufbrechen und zeigt, dass sie sich nicht in eine Schublade stecken lässt. Sie beschreibt sich selbst als Hybridkünstlerin, die im Urban Contemporary Art Kontext tätig ist, aber auch in der Galerieszene Fuß gefasst hat. Sie arbeitet mit Galerien aus beiden Bereichen zusammen und sieht dies als große Bereicherung an.
„Im Urban Art Kontext bin ich die, die klassische Malerei studiert hat und auch Galeriekünstlerin ist. Im klassischen Kunstkontext falle ich etwas aus der Reihe, da ich auch Murals male und ein Teil der urbanen Kunstszene bin. Das verfolgt mich seit vielen Jahren und hat seine Vor- und Nachteile,“ betont sie: „Es ist ein Alleinstellungsmerkmal und gleichzeitig fühle ich mich oft nicht richtig zugehörig, egal in welcher dieser Welten. Mittlerweile sind die Übergänge oft auch kaum noch spürbar, das finde ich wunderbar. Je vielseitiger, desto besser! Denn nur so kann das, was zeitgenössisch ist und im Jetzt passiert, adäquat repräsentiert werden und dazu gehört es, diese Grenzen Stück für Stück verschwinden zu lassen.“
Ihre Erfahrungen aus den urbanen Kunstprojekten inspirieren sie und sie nimmt sie voller Energie mit ins Atelier. Dieser Wechsel zwischen dem expansiven öffentlichen Raum und der Intimität des Künstlerinnenstudios bringe sie stets voran und ermutige sie, ihre eigene Bildsprache zu entwickeln und das Medium Malerei neu zu interpretieren. Für Julia Benz ist Kunst Kommunikation, und sie hofft, dass ihre Werke die Menschen dazu inspirieren, über Kunst zu sprechen und sich auf einer anderen Ebene damit auseinanderzusetzen.
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