Am Anfang war ein leeres Haus Ein Gespräch mit Martin Nielsen

Ein Porträt des dänischen Kunstsammlers Martin Nielsen. (© Martin Nielsen)

Ein Gespräch mit Martin Nielsen über die Leidenschaft für den Kunstkauf und die Rolle des Sammlers.

Autor: Jörg Heikhaus aka Alex Diamond

Den Anfang machte ein neues, leeres Haus: Als der dänische Unternehmer Martin Nielsen mit seiner Familie 1994 umzog, waren ihm die Räume zu kahl und er kaufte erstmals in seinem Leben Bilder. Es waren Werke des Künstlers Erik Bille Christiansen und der Grundstock einer der größten Kunstsammlungen Nordeuropas: „Ich hatte mit Kunst überhaupt nichts am Hut, aber als wir ein neues und größeres Haus kauften, brauchten wir einfach etwas für die Wände... und damit ging es los …“

Ein Gemälde von Andreas Golder und Justin Bower sowie eine Skulptur von Rene Smith neben der Treppe im Haus des Sammlers Martin Nielsen. (© Andreas Stenmann)

Die Größe seiner Sammlung ist schwer einzuschätzen, aber unter den mehreren hunderten von Arbeiten sind zahlreiche von den renommiertesten Künstlerinnen und Künstlern unserer Zeit: Gerhard Richter, Tal R, Andreas Golder, Gert & Uwe Tobias, Daniel Richter und viele mehr. Beeindruckend ist auch die große Vielfalt an unterschiedlichen Medien und Stilen, darunter auch Graffiti und urbane Meister, wie der Maler El Mac oder die ikonischen Date Farmers.

Eine klare Linie verfolgt er beim Sammeln nicht: „Ich kaufe nie Kunst mit dem Gedanken an eine Investition, und ich habe keine Strategie. Ich höre einfach auf meinen Puls. Je höher der Puls, desto wichtiger ist es, das Werk zu kaufen. Alles ist erlaubt, solange es mich berührt.“

Ein großes Werk der Zwillingsbrüder Gert & Uwe Tobias über dem Esstisch. (© Andreas Stenmann)

Es gibt drei treibende Kräfte für einen gesunden Kunstmarkt: Zuallererst natürlich die „Produzentinnen und Produzenten“, die Künstlerinnen und Künstler, und dann die Galerien und Sammlerinnen und Sammler. Während Künstlerinnen und Künstler ihre Werke idealerweise ohne Rücksicht auf finanzielle Interessen und Trends schaffen sollten, sind die Galerien für die Vermarktung und den Verkauf verantwortlich, auch wenn viele das so wirtschaftlich kühl wohl nicht ausdrücken würden. Und die Rolle der Sammlerinnen und Sammler in diesem Dreieck? Die sieht Martin Nielsen in einer Art Korrektiv, Bewahrer des Status Quo - und der unaufhörlichen Unterstützung junger Kunst: „Sammler sollten immer einen offenen Geist bewahren und ihrem eigenen Bauchgefühl folgen, anstatt das zu kaufen, was alle anderen kaufen. Und sie dürfen nie aufhören, auch weiterhin junge Künstlerinnen und Künstler zu unterstützen - also deren Werke zu kaufen.“

Viele Sammler sprechen sehr öffentlich über ihre Sammlungen, und machen sie häufig auch Besuchern zugänglich, wie die riesige, museale „Rubell Family Collection“ in Miami oder die „Sammlung Boros“ in einem umgebauten Bunker in Berlin. Für Martin Nielsen hingegen ist diese Sichtbarkeit nicht so wichtig, wohl aber, „dass die Sammler bereit sind, ihre Werke für Museumsausstellungen zur Verfügung zu stellen, damit die Kunst auch ein “Leben“ außerhalb der Privatsammlung hat.“

Seit einigen Jahren gibt es einen Trend weg vom traditionellen Kunstmarkt hin zu Künstlerinnen und Künstlern, die versuchen, sich über Instagram unabhängig zu machen. Trotz der enormen Verwurzelung der sozialen Medien im Alltag aller Menschen funktioniert das aber nur für ganz Wenige und die Vertretung durch eine gute Galerie ist immer noch der wichtigste Schlüssel zum Erfolg für die meisten Künstler. Für Martin Nielsen eine klare Sache: „Mit Ausnahme der Top-Sammler brauchen die meisten Kunstkäufer Orientierung, und die bekommen sie von Galeristinnen und Galeristen, denen sie vertrauen und mit denen sie zusammenarbeiten.“ So hat auch er eine Reihe von Galerien, mit denen er teilweise schon seit Jahrzehnten befreundet ist und deren Rat ihm wichtig ist.

Das geplante Kunst- und Kulturprojekt „Cloud City“ in der alten Spirituosenfabrik von Aalborg, unterstützt von Martin Nielsen. (© Martin Nielsen)

Dabei wäre eine Neuordnung des Kunstmarktes vielleicht ein Weg aus der aktuellen Krise, denn die letzten Jahre waren für die meisten Künstler und Galerien sehr hart - Kunst ist noch viel mehr zum Luxus-Objekt für betuchte Käufer geworden. Martin Nielsen erkennt das auch, sieht aber keinen Bedarf in umwälzenden Veränderungen: „Die Schwierigkeiten auf dem Kunstmarkt sind derzeit vor allem auf die hohen Zinssätze und die niedrige Bewertung von Immobilien zurückzuführen,“ erklärt der Besitzer einer Reihe von Unternehmen aus der Bekleidungsbranche - so vertreibt er unter anderem Paul Smith in Skandinavien. „Ich glaube nicht, dass wir das Geschäftsmodell Kunst “überdenken“ müssen, sondern dass wir uns weiterhin auf Qualitätskünstler und Qualitätskunstwerke konzentrieren sollten. Ich sehe keine wirklich großen Probleme im Kunstgeschäft, aber ich sehe viele Probleme in der Finanzbranche,“ so Nielsen.

Sein wichtigster Rat für angehende Sammler? „Man sollte nie Kunst kaufen, nur weil sie teuer und snobistisch ist. Man sollte sie kaufen, weil man nicht anders kann.“

Für Architekten, Planer und Architekturinteressierte Geberit eView Newsletter

Newsletter Geberit eView

Der Newsletter Geberit eView verschafft Ihnen Einblick in die spannendsten Referenzobjekte von Geberit.

Lassen Sie sich inspirieren von einzigartigen Projekten, informativen Experteninterviews und aktuellen Themen aus Architektur und Planung.

  • Der Geberit eView Newsletter erscheint quartalsweise

Jetzt zum Newsletter anmelden

Geberit Referenz-Magazin

Geberit Referenz-Magazin

Unterlagen