Trojanische Pferde an Häuserwänden Ein Gespräch mit dem Künstlerduo Low Bros über Post-Graffiti und Kunst am Bau
Ein Gespräch mit dem Künstlerduo Low Bros über das Zusammenspiel von Architektur und der Kunstrichtung der urbanen Wandmalerei und den kritischen Umgang damit.
Ein Gastbeitrag von Jörg Heikhaus aka Alex Diamond
Die Zeiten, in denen Graffiti und Street Art grundsätzlich eine Form des Vandalismus darstellten und von Hausbesitzern und Architekten unerwünscht waren, sind längst Geschichte. Inzwischen gehören bemalte, beklebte und installativ veränderte Wände zum Bild der Städte wie der Straßenverkehr. Es gibt unzählige große, öffentliche Festivals, es werden Auftragsarbeiten gesprüht, Werbeagenturen buchen „Urban Artists“ für Kampagnen und die Eigentümer freuen sich inzwischen über die verschönerten und teilweise ja sogar wirtschaftlich aufgewerteten Immobilien.
Aber bedeutet das auch, dass diese noch relativ junge Kunstrichtung unter dem Aspekt der „Kunst am Bau“ Berücksichtigung findet? Von der Definition her sicher – denn Kunst am Bau „setzt sich mit Ort und Raum, Inhalt und Funktion der Bauaufgabe auseinander. Sie kann einen Bau unterstreichen oder auf ihn reagieren, Akzeptanz und Identifikation fördern, Öffentlichkeit herstellen und Standorten ein zusätzliches Profil verleihen.“ (Aus: Leitfaden Kunst am Bau, Bundesministerium des Inneren).
Ich sprach dazu mit dem deutschen Künstlerduo Low Bros, den Brüdern Florin und Chris Schmidt aus Hamburg, die sich international einen bedeutenden Namen gemacht haben mit ihrem sehr eigenen, grafischen Stil und die sich dem Post-Graffiti zugehörig fühlen, also der heutigen Weiterentwicklung des Graffiti, die sich von dem ursprünglichen Regelwerk der Kunstrichtung löst. Ihre Wandmalereien sind inzwischen auf der ganzen Welt gefragt.
Berücksichtigt Ihr eigentlich die Architektur der Gebäude in Eurer Arbeit? Es ist ja auch immer ein Eingriff in das „Werk“ von anderen – den Architekten vor allem.
Die Architektur spielt auf jeden Fall eine gewichtige Rolle. Ob sie uns nun zuspielt, oder vor Probleme stellt, wir müssen mit der Beschaffenheit eines Gebäudes umgehen. Es ist eine Herausforderung, die wir immer gerne angenommen haben. Oftmals bringt einen ja ein bereits gesteckter Rahmen auf neue Lösungsansätze. Jedoch sind wir auch zunehmend dankbar über unspektakuläre rechteckige Formate auf die wir, ähnlich wie bei Leinwänden, unsere vorhandenen Kompositionen und Konzepte anwenden können.
Ist es denn eher die Geschichte oder die Architektur der Gebäude, die Euch beeinflusst?
Sowohl als auch. Die Geschichte des Gebäudes, aber vor allem die des Stadtviertels fließt häufig in unser Konzept ein, auch wenn wir primär unsere eigenen Themen haben, die wir kommunizieren wollen. Die Form des Gebäudes wirkt sich hingegen mehr auf die visuelle Ausführung aus. Unser Anspruch ist es, etwas Neues und vielleicht auch leicht Befremdliches an einen Ort zu bringen, ohne dabei den Umgebungskontext außer Acht zu lassen.
Ein wichtiger Aspekt der Kultur ist für uns die Förderung der Toleranz durch die Konfrontation mit dem Unbekanntem. Das macht auch den Reiz des Malens im öffentlichen Raum aus. Ein Publikum zu erreichen, welches über unsere Peergroup hinaus geht. Hier arbeiten wir mit einer Ästhetik, die vordergründig eingängig ist und viele bereits bekannte Elemente enthält, um den Betrachter den ersten Zugang zu erleichtern, jedoch am Ende genügend Ambiguität besitzt um sich einer einfachen Auflösung zu entziehen. Etwa so wie ein trojanisches Pferd.
Gibt es auch Aufträge, die von Architekten oder Bauherren direkt an Euch herangetragen werden?
Ja, die gibt es. In den meisten Fällen wird ein Mural jedoch an ein bereits bestehendes Gebäude angepasst. Wünschenswert wäre es aber, die Zusammenarbeit von Architekt und Künstler schon im Planungsprozess mit zu bedenken, denn das würde große Möglichkeiten bieten, die bisher noch gar nicht ausgelotet wurden.
Heutzutage ist es schwer etwas von Grund auf Neues, oder Avantgardistisches zu produzieren. Alles ist ein Remix. Das Neue und Ungewohnte entsteht daher durch die Zusammenstellung bereits bestehender Dinge, vor allem genreübergreifend. Daher ist die Kollaboration für uns sehr spannend – und etwas ganz Natürliches, da wir durch Graffiti sozialisiert wurden und es dort selbstverständlich ist, mit Anderen gemeinsame Wandkonzepte zu planen. Wenn man das auf Musik bezieht ist dieser kollaborative Aspekt auch einer, der Rap so erfolgreich gemacht hat. Da haben akademische Künstler und vermutlich auch Architekten noch Nachholbedarf.
Wie steht Ihr generell zum Thema “Kunst am Bau“ – ist Graffiti / Post-Graffiti da schon akzeptiert?
Das ist hierzulande ein schwieriges Thema, wenn man dem Begriff Kunst treu bleiben will. Das ist sicherlich einfacher in den USA, wo die Grenzen von Kunst und Popkultur fließend sind.
Wir haben festgestellt, dass Künstler mit einem Graffiti-Hintergrund zumindest handwerklich einen Vorteil haben. Nicht nur bei der Ausführung. Der Umgang mit den Dimensionen einer großen Häuserfassade fällt den meisten leichter. Das merkt man vor allem dann, wenn sich klassische, etablierte Künstler an großen Formaten versuchen.
Wir denken, dass ein kritischer Umgang damit, was vor allem großformatig im städtischen Raum präsentiert wird, sehr wichtig ist, da es vor einer Übersättigung von banalen Wandarbeiten bewahrt, wie es in den USA schon häufig passiert.
Für Kunst mit Substanz gibt es mittlerweile aber einige Beispiele in der Mural-Szene, die inhaltlich und formal dem Werk der akademischen Künstler in nichts nachstehen. Daher wäre es auch gut die entsprechenden Kuratoren zu finden, die neben einer kunstgeschichtlichen auch eine Expertise für „urbane“ Kunst haben. Bei der Gelegenheit können sie gleich auch die richtige kunstgeschichtliche Einordnung mit entsprechender Namensgebung für diese Kunstrichtung liefern – da gibt es ja tatsächlich noch keine einheitliche Definition.
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