„Schöne Schultoiletten drücken Wertschätzung aus“

Für sie ist es ein Ort, der viel zu lange stiefmütterlich behandelt wurde – und für Ekel bei den Kindern sorgte: Schultoiletten müssen laut der Architektin Anke Reißig einen neuen Stellenwert bekommen. Sie plädiert für frischen Wind durch Funktion und viel Farbe.

Türen Schultoilette Mädchen und Jungen

Warum sind schön gestaltete Schultoiletten wichtig?

Haben Sie schon mal, zum Beispiel im Restaurant, jemanden sagen hören: „Hier musst du mal auf die Toilette gehen, das ist ja ganz modern und toll“? Nachdem ich mich mit dem Thema WC intensiver beschäftigt habe, habe ich mir solche, die ich oft besucht habe, genauer angeschaut: In Gaststätten, Unternehmen, Behörden und ähnlichem. Wenn es so einen Wow-Effekt gibt, der Raum modern und zeitgemäß ist und mit der Technik geht, dann sagt das viel über die Gaststätte, das Unternehmen oder den Träger aus. Nämlich darüber, welche Wertschätzung sie dem Nutzer gegenüber aufbringen. Und das ist bei der Schultoilette nicht anders.

Sie haben bereits vier Schulen saniert, in denen die Toiletten Teil des Projektes waren. Woran haben Sie zuletzt gearbeitet?

Wir haben gerade die komplette Sanierung der evangelischen Montessori-Oberschule in Plauen abgeschlossen. Das ist ein typischer Plattenbau. Im Zuge der Umgestaltung der gesamten Schule stand auch die Toilettensanierung an. Die Anlagen waren wirklich in schlechtem Zustand, haben gestunken – und das Hellblau und Rosa, das man irgendwann mal an die Wand gestrichen hat, hat nicht wirklich geholfen.

Moderne Farbgestaltung in der Schultoilette
Frisches Grün in der Schultoilette

Welche Elemente sind bei der Sanierung von Schultoiletten besonders wichtig?

In jedem Fall stehen Sauberkeit und Hygiene im Vordergrund: Alles muss leicht zu reinigen sein, damit keine Geruchsbelästigung entsteht. Dafür haben wir auch neue Fenster mit automatischen Lüftungsanlagen eingebaut. Dann muss natürlich die Funktion passen. Wenn die Materialien nicht halten und nicht robust sind, kann es so schön sein, wie es will. Da wir für die Bauphase nur ein Zeitfenster von drei Wochen hatten, mussten wir auch über neue Materialien nachdenken. Wir haben zum Beispiel HPL-Kompaktplatten statt Fliesen verwendet, die gehen nicht kaputt, man kann schlecht reinritzen und es ist hygienischer, weil es keine Fugen gibt. Die Spiegel sind in die Platten eingelassen, so dass es auch hier keine Zwischenräume gibt. Weiterhin haben wir Armaturen mit Infrarotsteuerung für die Waschbecken und Urinale verbaut. Die WC-Trennwände bestehen aus massiven 30 Millimeter dicken, mit HPL beschichteten Platten und flächenbündigen Türen. Augenmerk sollte man auch auf leicht zu reinigende Hygieneabfallbehälter und Seifenspender richten.

Moderne Farbgestaltung mit Gelb und Grün in der Jungentoilette
Farbkombination von Gelb und Blau in der Jungentoilette
Eingang zur barrierefreien Toilette in Rot und Grau

Apropos Geruch: Früher ist doch auch geputzt worden, warum hat man den trotzdem nie losbekommen, beziehungsweise wie gelingt das heute?

Zum einen waren oder sind eben viele Abwasserleitungen in Schulgebäuden noch sehr alt und dadurch manchmal undicht. Bei einer Sanierung muss hier als allererste neue Technik her. Die Toiletten waren früher auch weitaus häufiger verstopft oder bei den Urinalen wurde nicht richtig gespült. Heute gibt es automatische Lüftungsanlagen mit Feuchteregulierung, Urinale spülen auch ohne Benutzung automatisch durch und die Ausstattung ist einfacher zu reinigen. Wir haben in Plauen auch Acryl-Fußboden verwendet, denn da hat man keine Fugen, in denen sich Dreck sammelt oder Wasser steht. Ich glaube, dass in der Architektur in Zukunft vermehrt qualitativ hochwertige Gerüche zum Einsatz kommen werden, speziell natürlich in Sanitärräumen. Mit Lösungen, die über Duftstäbchen oder einfachen Duftspray hinausgehen.

Haben die Schüler denn die neuen Toiletten zu schätzen gewusst?

Natürlich ist immer alles Geschmackssache und Farben können polarisierend wirken. Die einen finden es toll, die anderen mussten sich erst etwas damit anfreunden. Aber was man bislang vergeblich sucht, sind Schmierereien und Vandalismus. Ich glaube, das hat mit dieser Wertschätzung zu tun. Wenn die Schüler merken, dass das neu, modern und sauber ist und nicht übel riecht, ist auch die Hemmschwelle größer, etwas zu zerstören. Andersherum verstärkt sich der Effekt bei „alten“ Schultoiletten – wenn da sowieso schon alles beschmiert, dreckig, hässlich und alt ist, steigt der Drang, sich da auch noch zu verewigen. Wenn einmal irgendwo Dreck liegt, kommt immer welcher dazu.

Früher gab es ja auch den „Treffpunkt Schulklo“. Ist das immer noch so?

Ich richte, wann immer es geht, im Rest der Schule Orte für Rückzug, Treffen und Austausch ein. Da gehört es meiner Meinung nach auch hin – und nicht auf die Toilette. Deshalb statte ich persönlich die Toilettenräume nicht mit Sitzgelegenheiten aus, was auch teilweise an Schulen gemacht wird. Wenn es anderswo schön gestaltete Ecken, gibt, nimmt das Interesse, sich in der Toilette aufzuhalten, automatisch ab.

Waschbereich in den Farben Blau und Gelb
Waschbereich in den Farben Grau und Blau
Moderne Farbgestaltung in der Toilettenkabine in Blau und Gelb

Was reizt Sie am Bau von Schulen und Kindergärten?

Das ist einfach die Vielfalt: Bei jedem Objekt müssen bei der Sanierung andere Themen beachtet werden und auch die Größe der Kinder variiert, so dass man sich auch auf deren Bedürfnisse einstellen muss. Während die ganz Kleinen auch besonders kleine Toiletten brauchen, muss ich bei den Teenagern überlegen, ob ich bei den Türen unten eine Verstärkung einbaue – die werden ja gerne mal mit den Füßen aufgestoßen. Mit und für Kinder zu planen ist eine Herausforderung, die mir und allen Mitarbeitern in meinem Büro unheimlich viel Spaß macht.

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